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Der Weg zurück
ins Leben
Anfang Januar 2006 kurz nach Silvester sah ich in Dresden am Bönischplatz
ein kleines graues Stofftier am Straßenrand liegen. Ich dachte
irgendjemand hätte es dort verloren und ich hatte auch zur
Zeit keine Verwendung für ein Stofftier, also ließ ich
es liegen und hoffte es würde bald gefunden. Ein oder zwei
Tage später kam ich erneut an dieser Stelle vorüber,
ich erinnerte mich an das Tier und hielt Ausschau danach um zu
sehen ob es noch da wäre und entdeckte zu meinem Entsetzen
nur noch einen grauen platten Fleck am Straßenrand. . . .
nun konnte ich fast 100%tig sicher sein, daß außer
mir es Niemand mehr mitnehmen würde, also löste ich es
vom Boden, es war total steifgefrohren, ich legte es in meinen
Fahrradkorb und fuhr damit zur Hochschule um dort einen Wiederbelebungsversuch
zustarten. Ich schaffte es mit viel warmen Wasser und Spühlmittel,
daß es irgendwann wieder einem Stofftier ähnlich sah.
Aber dabei machte ich eine furchtbare Entdeckung, irgendjemand
hatte ihm den Bauch mit Silvesterknallern (Chinaböller oder
Kanonenschläge) gefüllt und es anschließend in
die Luft gesprengt. Es war ganz zerfetzt und seine Augen hatte
es auch verloren. Also konnte ich nichts anders machen, als ihm
das Füllmaterial wieder in den Bauch zurückzustopfen
und das Fell zusammenzunähen, zwei kleine Holzperlen schwarz
zubemalen und sie als Augen anzunähen. Bei dem Wasch/Wiederbelebungsvorgang
hatte sich eine gepunktete Stoffzipfelmütze gelöst, ich
bekam sie nicht richtig sauber und beschloß deshalb sie zubemalen,
dadurch wurde sie leider ganz steiff. Ich setzte das kleine graue
Tier auf die Heizung und von dort aus schaute es mich aus großen
Augen ängstlich an, während es seine Zipfelmütze
umklammerte. Auf meinem Heimweg kam ich wieder an dem Fundort vorbei
und sah, das am anderen Straßenrand ebenfalls ein Stofftier
lag, diesmal ein größeres braunes. Ich dachte nur nicht
noch eins, ich weiß nicht, was ich mit den ganzen Viehchern
soll und es kann sich auch mal Jemand anderes darum kümmern.
Also lange Rede kurzer Sinn, ich ließ es liegen. Am nächsten
Tag wieder auf dem Heimweg, kam ich an der Stelle erneut vorbei
und sah entsetzt, daß inzwischen auch das Braune überfahren
wurde. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auch dieses
mitzunehmen. Ich bekam es kaum vom Boden ab, es war sehr stark
festgefroren und ich mußte mangels Bürgersteig ständig
auf die vorbeifahrenden Autos achten. Als ich endlich den braunen
Pfannekuchen in meinem Fahrradkorb liegen hatte, drehte ich um
und fuhr zur Hochschule zurück, weil ich es nicht zuhause
haben wollte, ich fand es einbißchen eklig. Ich fand auch
bei dieser Wiederbelebungsaktion Chinaböller oder Kanonenschläge
im Bauch des Tieres, außerdem fand ich noch vier Pfoten und
einen sehr zerfetzten Bauch, aber ich suchte lange ergebnislos
nach dem Kopf und auch an der Unglücksstelle fand ich nichts
. . .. Nun überlegte ich ob es nicht besser wäre, das
Tier zubeerdigen, aber der Boden war gefroren und ich hatte keine
Spitzhacke. Dann sah ich wieder die großen traurig-ängstlichen
Augen vom kleinen grauen Tier vor mir und dachte es könnte
in seinem Elend gut einen Freund oder Gefährten gebrauchen.
Also suchte ich alles zusammen was ich so an halbwegs flauschigen
Stoffresten besaß und beschloß das Braune wieder zu
rekonstruieren. Ich fand an seinem Hinterteil ein Loch und dachte
vielleicht besaß es mal einen Schwanz, also bekam es einen
schönen langen, es machte auch nicht den Eindruck als würde
es das stöhren. Der Kopf war für mich wesentlich schwerer
herzustellen, da es sehr lange her war, daß ich Stofftiere
genäht hatte. Aber irgendwann kam etwas dabei heraus, was
man als Kopf bezeichnen kann ohne Unmengen von gutem Willen aufzubringen.
Die leere Fellhülle hab ich mit allem möglichen ausgestopft,
was ich so fand, z.B. Styroporkügelchen oder alte Stoffblätter
von Kunstblumen. Ich stopfte soviel hinein bis der Kopf nicht mehr
herunterhing. Ich setzte das Braune neben das Graue und die beiden
verstanden sich auf Anhieb ausgezeichnet. Das erste halbe Jahr
ihres nun wiedergefundenem neuen Lebens verbrachten die Zwei auf
einem Heizungsrohr neben meinem Arbeitsplatz und schauten mir von
dort beim Arbeiten zu. Ich kann verstehen, daß gerade diese
Plastik die dort entstand sie faszinierte, denn es wurde ein riesiges
braunes Tier mit einem zarten Gemüt, es bekam den Namen Mäuschen
und wir fanden, daß er perfekt zu ihr passte. Auf diesem
Bild ist sie zusehen. ( . . . ) Die Drei wurden rasch Freunde.
Als wir im Sommer die Hochschule verlassen mußten, zogen
wir in einen kleinen Raum im Robotrom. Die Zwei konnten dort auf
einer Kiste sitzen und aus dem Fenster in den Himmel schauen und
auch die gegenüberliegenden Fenster beobachten. Das große
Braune hatte inzwischen dem kleinen grauen Tier gegenüber
so eine Art Beschützerrolle eingenommen, das Graue saß immer
zwischen seinen Pfoten und das Braune konnte sein Kinn auf dessen
Kopf stützen. Als dann ein paar Wochen
später das Mäuschen wieder zu uns stieß, setzten
sich die Zwei sofort auf ihr breites Hinterteil und konnten von
diesem erhöhten Sitzplatz aus gut weiter aus dem Fenster sehen
und das taten sie auch wann immer das Mäuschen zuhause war.
So ging das beinahe zwei Jahre, ich konnte in dieser Zeit gut beobachten,
wie es den Beiden nach und nach immer besser ging, sie wurden fröhlicher
und wirkten auch weniger ängstlich. Dann wurde uns der Raum
im Robotrom gekündigt, aber das war nicht sehr schlimm, da
ich schon vor einem knappen Jahr nach Essen umgezogen war, ich
hatte dort in Frohnhausen einen neuen Raum für meine Schätzchen
gefunden. Jetzt brauchte ich sie nur noch aus Dresden zu hohlen,
die Zwei fuhren bei der Fahrt mit, bei der ich auch das Mäuschen
transportierte. Sie durften vorne hinter der Windschutzscheibe
sitzen und hinausschauen. Dabei entstand dieser Schnappschuß,
als wir an einer Tankstelle hielten. ( . . . ) Als wir in dem Raum
in Essen angekommen waren, zogen es die Beiden vor sich auf die
Heizkörper hinter dem Schaufenster zu setzen, anstatt wie
gewohnt auf das Hinterteil vom Mäuschen. Das kam daher, weil
das Mäuschen in diesem Raum nun ihrerseits aus dem Fenster
schauen durfte und die Beiden hätten sie auf ihrem gewohnten
Platz gesessen, so hätten sie von dort nur die Wand beobachten
können und das fanden sie verständlicherweise zu langweilig.
Aber ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, daß das Mäuschen
deswegen sauer wäre. Einige Zeit später brachte mir mein
Freund überraschenderweise ein Schiff mit welches selbstgebaut
aussah, er hatte es bei irgendeinem Kollegen für mich abgestaubt.
Durch dieses Schiff bekamen meine Beiden endlich das Zuhause, welches
ich ihnen zuvor nie so richtig hatte bieten können. Das Schiff
paßte perfekt zu ihnen und sie fanden es wundervoll und saßen
fortan nur noch auf ihm herum. Dieses Schiff brachte mich auf die
Idee, ich könnte den Beiden daraus ein wahrhaft traumhaftes
Zuhause zaubern, wenn ich es einbißchen überarbeiten
würde und sie könnten dann damit auf Große Fahrt
gehen, wann immer sie gerne möchten. Denn ich sah, daß die
Zwei richtig aufgeblüht waren, seit sie das Schiff besaßen.
In der Zeit in der ich ihr Schiff überarbeitete saßen
die Zwei mir gegenüber auf einem Stuhl und schauten mir sehr
sehr mißtrauisch beim Arbeiten zu. Das Resultat fand ihre
volle Zustimmung und ich war darüber unendlich erleichtert.
Die Zwei hatten gesehen, daß ich unter anderem mit kleinen
Leuchtperlen gearbeitet hatte und so bettelten sie mir mit flehendlichen
Blicken ab, daß ich jedem von ihnen daraus ein Kettchen machen
sollte. Das kleine Graue war relativ schnell zufriedenzustellen
und überglücklich über seine Kette, bei dem großen
Braunen war es nicht einfach, denn immer wenn ich eine mögliche
Kette fertig hatte guckte es mich alles andere als glücklich
an und ich trennte sie wieder auf und versuchte es aufs neue. Bis
ich schließlich auf den Gedanken kam es könnte sich
bei dem Braunen um ein männliches Tier handeln, welches vielleicht
eine nicht ganz so mädchenhafte Kette haben wollte und so
bekam er ein ein zartes Kettchen mit Stern passend zum Fell und
hat sich sehr darüber gefreut. Aber ich hatte durch diesen
Zwischenfall viel Stoff zum Nachdenken bekommen, sollte die Beiden
vielleicht noch etwas anderes verbinden als bloße Freundschaft
oder einer Art von geschwisterlicher Liebe wie ich immer gedacht
hatte??! Eine wunderbare Kleinigkeit vergaß ich bisher zu
erwähnen, denn seit die Zwei auf ihrem fertig geschmückten
Schiff wohnten und beide ein kleines Kettchen hatten, brauchte
das kleine graue Tier seine alte Zipfelmütze nicht mehr länger
krampfhaft festzuhalten und ich sehe sie immer öfter einfach
irgendwo in einer Ecke herumliegen, vergessen?! Ich hatte den Beiden
schon vor längerem versprochen, daß sie ihr Schiff auch
mal draußen auf einem echten See oder Fluß ausprobieren
dürften, wenn sie wollten. Aber davor mussten wir testen ob
das Schiff auch hochseetauglich war, also nahm ich sie samt Schiff
zu mir nach hause, um dort in der Badewanne erste Schwimmversuche
zu starten. Der erste Versuch war leider eine reine Katastrophe,
das Schiff sank in Sekunden, schneller als die Titanik und das
braune Tier holte sich sich einen nassen Hintern und nasse Pfoten,
die es gut ausgewrungen auf der Heizung sitzend auskurierte. Das
kleine Graue saß neben ihm zur Gesellschaft und ich überlegte
derweil ziemlich verzweifelt, wie ich um Himmelswillen dieses verflixte
Schiff zum Schwimmen kriegen sollte, denn ich wollte die Zwei auf
keinen Fall enttäuschen. Nach einer Menge Schnapsideen hatte
ich plötzlich einen Geistesblitz, ich würde einfach ein
dickes Styroporstück unter den Schiffsboden kleben, natürlich
in Schiffsform usw.. Ich glaube ich vergaß zu erwähnen,
daß das Schiff zwischenzeitlich um ein Rettungsboot reicher
wurde. Man sollte es kaum glauben aber beide Viehcher passen zusammen
auf das winzige Boot, aber ich glaube seine Tragfähigkeit
auf dem Wasser hat so seine Grenzen, aber das wissen die Beiden
glücklicherweise nicht und ich hoffe auch sehr, daß sie
niemals gezwungen sein werden es auszuprobieren . . .. Der zweite
Schwimmversuch in der Badewanne verlief glänzend, die Beiden
konnten von dem sanften Geschaukel auf dem Schiff gar nicht genug
bekommen und mir fiel zum ersten mal richtig auf, was die Zwei
doch für ein schönes Paar waren. Auf diesem Foto ( .
. . ) gelang es mir einen langen verliebten Blick der Beiden einzufangen.
Ein paar Tage später verabredete ich mich mit einer Freundin,
wir klemmten uns die Beiden samt Schiff unter den Arm, und machten
uns auf den Weg zur Ruhr. Am Ufer sicherten wir die Zwei auf ihrem
Schiff und banden vorne ans Schiff eine ganz dünne Leine,
denn man kann ja nie wissen was so passiert und die Zwei sollten
ja von diesem Ausflug kein neues Trauma davon tragen, wo sie ihr
voriges doch gerade erst so mehr oder weniger überwunden hatten.
Was soll ich lang erzählen, es wurde ein wunderschöner
Nachmittag. Die Beiden haben an drei verschiedenen Stellen ihr
Schiff ausprobiert. Sie waren glücklich und haben nur einwenig
gemault ihnen wäre zu kalt, darauf hin habe ich ihnen für
die nächste Fahrt ein oder zwei Decken versprochen. Es bleibt
jetzt nur noch zu sagen, daß keiner von uns Vieren ins Wasser
gefallen ist, wir hatten nur einbißchen Ärger mit ein
paar Brennesseln, aber was tut man nicht alles gegen sein möglicherweise
bevorstehendes Rheuma. Da fällt mir ein, können Stofftiere überhaupt
Rheuma bekommen? Es sind auch ein paar schöne Bilder auf dieser
Jungfernfahrt entstanden ( . . . ) ( . . . ) ( . . . ) ( . . .
) ich denke die Beiden werden noch viele Fahrten in ihrem Leben
machen, mal gucken wann und wo . . ..
Jetzt hab ich noch eine Bitte an alle vielleicht kennt irgendjemand
von Euch die beiden Kleinen von Früher, von vor dem Anschlag
auf ihr Leben. Denn ich wüste gar zu gern wer die Beiden waren,
wie sie aussahen, wie sie heißen und wo sie gelebt haben, denn
die Zwei können es mir leider nicht verraten . . .. Also sollte
sie Jemand von Früher her kennen dann soll er/sie sich bitte
bei mir melden unter email: kontakt@anneschmidt.net .Wichtig, ich
möchte nicht wissen wer den Anschlag auf sie verübt hat,
mich interessiert nur die Vergangenheit der zwei Kleinen, weil ich
ihnen gerne ein Stückchen davon zurück geben würde.
Aber bitte nur ernstgemeinte Zuschriften. Danke
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